Das Projekt „Let‘s build Pforzheim-Virtual“

Der dritte Arbeitskreis Game-based Learning, zu dem auch der Landesverband Museumspädagogik Baden-Württemberg e.V. Keingeladen hatte, stellte die kultur- und medienpädagogischen Potenziale des „Sandkasten-Spiels“ Minetest in den Mittelpunkt. Hier können Kinder, Jugendliche und Erwachsene wie im Sandkasten eigene Welten erschaffen. Es handelt sich also um ein Spiel ohne vorgefertigte Umgebung. Die Spielenden bauen ihre Welten eigenständig selbst. Ein digitales Lego sozusagen, in dem Baustein auf Baustein gesetzt wird. Das erfordert hohe Vorstellungsgabe und Kreativität, maßstäbliche Wahrnehmung und räumliches Denken.
 
Minetest ist die kostenlose, niedrigschwellige und ressourcenschonende Variante des Bezahlspiels Minecraft. Es kann auch auf älteren PCs und Laptops gespielt werden und erfordert keine topaktuellen Endgeräte.
Seit Mai 2021 betreut die Abteilung Kulturelle Bildung im Kulturamt Pforzheim das Minetest-Projekt „Let‘s build Pforzheim-Virtual“. Es richtet sich an Kinder und Jugendliche im Freizeitbereich. Sie folgten der über Social Media und die Newsletter des Kulturamts ausgesprochenen Einladung, ihr Pforzheim virtuell zu bauen. Die Resonanz war überraschend hoch. Bereits zwei Wochen nach Anmeldestart tummelten sich 25 Spielende von 6-26 Jahren auf dem eigens konfigurierten Server, der den Zugang zur digitalen Großbaustelle der Pforzheimer Innenstadt öffnet. Ein Padlet, eine Art Übersichtsplan, stellte zum Auftakt Informationsmaterial zu den einzelnen Baugrundstücken und Bauten vor. Schnell bildeten sich die Teams. Nicht alle Mitglieder kannten sich im Voraus. Das virtuelle Bauen hat sie rasch zusammengeschweißt und wertvollen Kooperations- und Teamerfahrungen vermittelt. Die überaus rege Kommunikation läuft über die Platform Discord, die Text- und Sprachkanäle für den Austausch innerhalb der Gruppen und mit den betreuenden Pädagoginnen Susanne Reinmüller und Melike Helimergin bereitstellt. Das stadtpädagogische Konzept des Projekts basiert auf der genauen Wahrnehmung der gebauten Umgebung der Innenstadt von Pforzheim, die in Phase 1 nach und nach gebaut wird. Inzwischen sind 50 „Bauleute“ am Projekt beteiligt, die sich jederzeit mit ihren Teams zum Spielen verabreden können, unter Zugrundelegung strenger Werte- und Spieleregeln, die strikt einzuhalten sind. In einer zweiten Phase sollen die noch zahlreich existierenden Baulücken und Freiflächen in der Stadt nach den Vorstellungen der jugendlichen Spielenden virtuell gestaltet werden.
 
Das Projekt „Let‘s build Pforzheim-Virtual“ ist in mehrfacher Hinsicht ein offenes: Es spricht Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren an und ermöglicht Begegnungen über Peergroups unter Altergrenzen hinweg. Es ist niedrig schwellig und teilhabeorientiert, da es keine aufwändige Infrastruktur braucht, um mitzuspielen. Die Spielenden entscheiden, was sie bauen wollen, ob eine der vorgeschlagenen Architekturen oder eines, das sie sich selbst ausgesucht haben. Das bedeutet ein hohes Maß an Selbstmotivation und Selbstwirksamkeitserfahrung. Es gibt keinen Wettbewerb und keine Prämierung. Alles, was gebaut wird ist wertvoll. Im Chat auf Discord geben sich die unterschiedlichen Teams gegenseitig Anregung und Feedback. Sie zollen sich Respekt für die vollbrachten Bauleistungen und stacheln sich gegenseitig an. Und das Spiel hat vorläufig kein Verfallsdatum, das Projekt ist zeitlich nicht begrenzt. Bei den regelmäßigen, im 2-4 Wochenrhythmus stattfindenden Workshops stoßen immer wieder neue Kids dazu. Und längst beschränken sie sich nicht mehr nur auf die oberirdischen Gefilde. Irgendwann haben sie entdeckt, dass sie auch unterirdisch bauen können und toben dabei reichlich öihre Fantasie aus.
Einwände, wonach die Kinder und Jugendlichen mit solchen Angeboten sich noch länger vor dem Bildschirm aufhalten, sind noch zu widerlegen. Doch als Gegenwert steht bei dieser Art von Spiel ein hoher Kompetenzerwerb jener 21. Century skills , die sie für die Bewältigung ihrer Zukunft in einer Kultur der Digitalität brauchen: Kommunikation, Kooperation, kritisches Denken und Kreativität.
 
Im Anschluss an die sehr anschauliche Präsentation der beiden Pädagoginnen, hatten die Teilnehmenden des AK, bundesweit Mitarbeitende aus dem Museumskontext, Gelegenheit, sich in Dreiergruppen über die Anwendbarkeit von Minetest in ihrem jeweiligen Kontext auszutauschen. Diese Ideen wurden im anschließenden Plenum ausgetauscht. Und genau das ist die Zielsetzung des AK Game-based Learning: ein Austauschforum zu sein, das auch kleinen und mittleren Einrichtungen, die Möglichkeit bietet, vom Wissens- und Erfahrungstransfer anderer Institutionen zu profitieren, von deren Erfolgen zu hören, aber auch von den Hürden und Stolpersteinen und wie man sie ggf. umgehen oder anders bewältigen kann. Diesen Austausch lebendigen Lernens wollen wir auch über den Projektzeitraum des Schillerprojekts hinaus beibehalten.
 
Doch bevor das Projekt im Dezember endet, gibt es noch eine große Überraschung! Sie hat mit Schillers Geburtshaus in Marbach zu tun. Ihr könnt gespannt sein!